Untersuchung des Dopplereffektes der Wasserstoff-H1-Linie in der Milchstraße

15.02.2019

Grundlagen:
Wenn man in die Milchstraße schaut, sieht man oft nicht nur eine Quelle, sondern möglicherweise mehrere hintereinanderliegende. Die Abbildung rechts zeigt eine solche Situation: Der Beobachter auf der Erde sieht entlang seiner Sichtachse (roter Pfeil von der Erde ausgehend) drei verschiedene Quellen (Peak 1-3). Diese rotieren um ein gemeinsames Massezentrum, sind jedoch unterschiedlich weit davon entfernt und haben deswegen verschiedene Bahn- und Winkelgeschwindigkeiten. 

Ergibt sich zwischen Quelle und Beobachtungsstandort eine Relativgeschwindigkeit ungleich Null, erscheint die Wasserstoff-Emissionslinie blau- oder rotverschoben (vergl. Erläuterungen zu Messungen der Milchstraße bei Deneb oder Cassiopeia A).

Für den Dopplereffekt ist lediglich die Relativgeschwindigkeit in Bezug zur Erde entscheidend. Diese lässt sich aus der Komponentenzerlegung der Bahngeschwindigkeit in Richtung der Sichtachse und senkrecht dazu bestimmen, wobei nur die Komponente in Richtung der Sichtachse entscheidend ist. Die Bahngeschwindigkeit an jedem Punkt ist mit einem schwarzen Pfeil, deren Komponente in Richtung der Sichtachse mit einem grünen Pfeil (orange bei der Erde) gekennzeichnet. Zur Bestimmung der Relativgeschwindigkeit werden die entsprechenden Geschwindigkeiten vektoriell subtrahiert. 

Für die einzelnen Quellen ergeben sich die Pfeildiagramme, die unten rechts als P1 bis P3 gekennzeichnet sind. Der grüne Pfeil ist die Sichtachsenkomponente der Quelle, der orange Pfeil die Geschwindigkeitskomponente des Beobachters. In den ersten beiden Fällen ergibt sich eine verringerte Geschwindigkeit (roter Pfeil) und somit eine Rotverschiebung des Signals, während sich bei P3 eine erhöhte Geschwindigkeit (blauer Pfeil) und somit eine Blauverschiebung ergibt.

Normierung:
Da die Signalamplituden der einzelnen Quellen stark variieren, ist für einen Vergleich der Dopplerverschiebungen eine Normierung der Messdaten erforderlich. Dazu bestimmt man das globale Minimum und Maximum der Messwerte, subtrahiert von allen Messwerten das Minimum und dividiert diesen Wert durch die Differenz von Maximum und Minimum. Auf diese Weise werden alle Messwerte in das Intervall [0; 1] transformiert und sind nun untereinander vergleichbar. Die Abbildung rechts zeigt dieses Vorgehen schematisch.
Einfluss der Erdbahn:
Die Erde bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/s um die Sonne. Wird eine bestimmte Quelle zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommen, geht ihre aktuelle Geschwindigkeit in die Relativgeschwindigkeit mit ein und kann somit einen zusätzlichen Dopplereffekt von bis zu ca. +/-140 kHz bewirken. Die Abbildung rechts zeigt in der linken Hälfte 5 Einzelmessungen von Cassiopeia A, die in einem Zeitraum von mehreren Monaten aufgenommen wurden. Verschiebt man die Graphen, indem man einen bestimmten Frequenzbetrag addiert oder subtrahiert, lassen sie sich, wie in der rechten Bildhälfte gezeigt, gut überlagern. Aus den so ermittelten Daten lässt sich die Bahnneigung der Erdbahn in Bezug zur Quelle ermitteln.
Winkelauflösung:
Das Teleskop hat bei der H1-Linie eine Winkelauflösung von knapp 4°. Befinden sich verschiedene Quellgebiete innerhalb dieses Winkels, überlagern sich deren Signale. Der 3D-Plot in der Abbildung rechts zeigt in der Region um Deneb, wie sich die aufgenommenen Spektren verändern, wenn bei gleichem Azimutwinkel der Elevationswinkel in Schritten von 1° um insgesamt +/- 8° geändert wird. An der Position EL1 ist nur ein ausgeprägter Peak erkennbar, während bei EL2 zwei weitere Peaks dazukommen, die jedoch von einer anderen Quelle stammen, da sie stärker blau-verschoben sind.
Da mit dem verwendeten Messgerät die Aufnahme eines einzigen Spektrums ca. 6 Minuten dauert, erfordert eine vollständige Erfassung der Milchstraße nach dieser Methode ca. 9600 Messungen (160° in Azimut- und 60° in Elevationsrichtung) und somit eine ununterbrochene Messzeit von 40 Tagen. Da zu bestimmten Jahreszeiten immer nur ein Teil der zu untersuchenden Himmelsregionen sichtbar ist, umfasst eine solche Messkampagne tatsächlich aber einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten. 
Auswertung:
Auf diese Weise ist es nun möglich, die Messergebnisse in einer graphischen Übersicht gemeinsam in einem Bild darzustellen (s. Abbildung unten). Grundlage ist dabei eine Bildmontage der gesamten Milchstraße, die aus einem interaktiven Sternenkatalog (Stellarium) erstellt wurde. Die insgesamt 42 ausgewählten Quellen wurden dort mit ihren Bezeichnungen (in Orientierung an markanten Sternen) eingetragen und durch einen Kreis markiert. Sofern Messergebnisse verfügbar waren, wurden sie darunter mit Balkendiagrammen versehen, die sowohl die Dopplerverschiebung als auch den Erdbahneinfluss visualisieren.
Fehlt der horizontale Balken, liegt nur eine einzige Messung dieser Quelle vor, sodass kein Erdbahneinfluss untersucht werden konnte.
Vor allem im rechten Teil der Darstellung befinden sich Regionen, die nur von der südlichen Hemisphäre der Erde aus sichtbar sind, weshalb hier keine Daten vorliegen.
Auf den ersten Blick erkennt man drei Gruppierungen:
In der linken oberen Bildhälfte finden sich vor allem Regionen, die ausschließlich eine Blau-Verschiebung aufweisen, dies betrifft sowohl Quellen in der Ebene der Milchstraße als auch darüber.
Im linken unteren Drittel sowie im Zentrum finden sich dagegen Rot-verschobene Regionen, zum Teil mit angedeuteten Blau-Verschiebungen.

Einstellungen:
Positionierung: Milchstraße bei 24 verschiedenen Regionen mit automatischer Nachführung
Beginn der Messkampgane am 11.08.2018, Ende am 02.03.2019
Reflektor: 380 cm-Radioteleskop der Sternwarte Südheide, Gain: 35 dB bei 1420 MHz
Antenne: Kreuzdipol mit Feedhorn, abgestimmt auf 1420 MHz, Polarisation: keine (H- und V-Dipol mit ZAPD-23 summiert)
Vorverstärker: Modul1-PreAmp-1445, Gain: 37 dB bei 1420 MHz, Bandbreite: 1350 - 1450 MHz
Messgerät: SpectraCyber, Eingangsempfindlichkeit: -120 dBm, HF-Gain: 15 dB, DC-Gain: x5 (7 dB), DC-Offset: an Quelle angepasst, Schrittweite: 5 kHz
Gesamtverstärkung: 214 dB (Reflektor: 35 dB, HF-Anlage: 179 dB)